Landwirtschaft in der Krise: Ein Aufruf für nachhaltige Veränderungen

Landwirtschaft in der Krise: Ein Aufruf für nachhaltige Veränderungen

In den letzten Wochen haben wir in Deutschland neben den großen Demos gegen die AfD eine Welle von Bauernprotesten erlebt. Tausende von Landwirt:innen haben mit Traktoren die Straßen blockiert, um gegen die Kürzung von Subventionen und die steigenden Herausforderungen in der Landwirtschaft zu demonstrieren. Diese Proteste sind ein klares Zeichen, dass sich etwas ändern muss. In diesem Blogbeitrag wollen wir die zentralen Forderungen der Proteste beleuchten und unsere Position dazu darlegen. Außerdem möchten wir die Rolle der großen Lebensmitteleinzelhändler thematisieren und erste Handlungsfelder für die Politik aufzeigen. Aufgrund der hohen Komplexität und Dringlichkeit haben wir uns entschlossen, eine Reihe dazu zu starten, wie Landwirtschaft für alle Akteur:innen positiv gestaltet werden kann. Wir werden in den nächsten Monaten mit verschiedenen Menschen dazu sprechen und die Gespräche auf diesem Weg veröffentlichen.

Was wird gefordert und warum jetzt?

Die Proteste haben sich vor allem gegen die geplante Abschaffung von Steuervergünstigungen für landwirtschaftlichen Diesel gerichtet. Diese Maßnahme ist Teil eines Sparpakets der Regierung, das inmitten von Haushaltskrisen und steigenden Energiekosten als notwendig erachtet wurde. Die Landwirte argumentieren jedoch, dass diese Einsparungen sie unverhältnismäßig hart treffen und ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Mittlerweile haben die Proteste auch andere Länder erreicht. So gehen mittlerweile Landwirt:innen in Rumänien, den Niederlanden, Polen, Litauen und Frankreich auf die Straßen. Auch hier geht es überwiegend um steigende finanzielle Belastungen durch politische Entscheidungen, z.B. den Wegfall der Subventionen für Agrardiesel in Frankreich. Hier blockierten die Landwirt:innen Autobahnen, hielten Lebensmitteltransporte auf und schmissen die Produkte auf die Straße. Bei allem Verständnis für die Proteste schmerzt es uns als Unternehmen, welches für Lebensmittelwertschätzung kämpft, natürlich besonders solche Bilder, wie in diesem Video zu sehen.

Querfelds Position: Mehr Einkommen für nachhaltige Betriebe

Vorab: Im Rahmen der Demonstrationen ist es auch zu nationalistischen Äußerungen und häufig zu “Ampel Bashing” gekommen. Für uns ist es wichtig, die aktuellen Proteste von jeglichen nationalistischen und extremen politischen Tendenzen abzugrenzen. Unsere Unterstützung gilt den legitimen Anliegen der Landwirt:innen, nicht politischen Extrempositionen.

Querfeld steht für eine Landwirtschaft, die sowohl umweltverträglich als auch ökonomisch tragfähig ist. Wir setzen uns dafür ein, dass nachhaltig wirtschaftende Betriebe ein angemessenes Einkommen erzielen können. Wir fördern dies, indem die Betriebe bei uns selbst die Preise für ihre Produkte vorgeben und keinen Preisdruck von unserer Seite bekommen.

Das Problem dabei ist allerdings: Tut ein Betrieb besonders viel für die Umwelt und damit für das Gemeinwohl und hat einzig den Produktpreis als Möglichkeit für diese Ökosystemdienstleistungen entlohnt zu werden, so schlägt sich das in sehr hohen Preisen nieder. Dies ist wiederum sowohl aus sozialen Aspekten (gute Produkte nur für die Menschen mit genug Geld) als auch aus der ökonomischen Sicht des Betriebs kritisch zu betrachten. Sind die Preise der Produkte deutlich höher als vergleichbare Alternativen, werden Konsument:innen das Produkt nicht kaufen. Nur wenige Menschen sind bereit für den kollektiven Nutzen, welcher auch nicht direkt ersichtlich ist, höhere Preise zu zahlen.

Ebenso wenig scheint es allerdings sinnvoll zu sein, über Subventionen für Diesel die Leistungen der Betriebe quer zu finanzieren. Es bräuchte wirksame Subventionen, welche an den tatsächlichen Nutzen gekoppelt sind und hier nähern wir uns dem Kern der Problematik, der Rolle der Politik über die letzten Jahrzehnte.

Historische Fehlentscheidungen in der Agrarpolitik und neue Wege

Über viele Legislaturperioden hinweg wurden Entscheidungen getroffen, die die heutige Krise in der Landwirtschaft mitverursacht haben. Eine grundsätzliche Überdenkung der Subventionspolitik scheint unumgänglich. Der Gründer und ehemalige Vorstand der Regionalwert AG Christian Hiß arbeitet seit vielen Jahren daran, den Beitrag der Landwirtschaft zum Gemeinwohl sichtbar zu machen und zu entlohnen. Er argumentiert in einem Interview, dass Landwirt:innen mehr Unterstützung benötigen als nur ermäßigte Steuersätze auf Diesel und verweist auf die Notwendigkeit einer umfassenderen Honorierung der landwirtschaftlichen Arbeit.

Er betont die Bedeutung des Schutzes der Ökosysteme und anderer Gemeingüter durch die Bauern, was in der betriebswirtschaftlichen Rechnung oft unsichtbar bleibt. Hiß schlägt vor, die betriebswirtschaftlichen Werte der Leistungen der Betriebe, die je nach Bodennutzungsart variieren, zu definieren und zu beziffern. Er bekräftigt, dass es gerecht und angemessen wäre, Landwirte explizit für ihre Investitionen in Gemeingüter zu bezahlen.

Abschließend stellt Hiß fest, dass eine angemessene Vergütung der Gemeinwohlleistungen der Landwirte einen großen Schritt hin zu einer gerechteren und nachhaltigeren Agrarpolitik darstellen würde. Er sieht in seinem Ansatz eine Möglichkeit, die grundlegenden Probleme der Landwirte anzugehen und plädiert dafür, diese Leistungen außerhalb des Produktpreises zu kompensieren.¹

Auch Larissa Stiehm-Bathia vom TMG Think Tank for Sustainability fordert, dass die EU-Agrarsubventionen umstrukturiert werden. Ihrer Meinung nach sollten sie stärker an die Schonung des Bodens und den Humusgehalt gekoppelt werden und der Ökolandbau sollte finanziell deutlich stärker gefördert werden. Sie unterstreicht die essenzielle Rolle gesunder Böden als größte CO₂-Speicher vor Wäldern und als kritische Wasserspeicher, was sie unverzichtbar für die Klimaanpassung macht. Durch die Fähigkeit gesunder Böden, Wasser aufzunehmen und zu speichern, unterstützen sie Pflanzen in Dürreperioden und tragen effektiv zum Hochwasserschutz bei. Angesichts der Herausforderungen durch Bodenversiegelung und intensive Landwirtschaft, die den Humusaufbau behindern, sieht Stiehm-Bathia in der Förderung des Ökolandbaus und der Anbindung von Subventionen an bodenschonende Praktiken einen wegweisenden Ansatz zur Stärkung des Klima- und Naturschutzes.²

Wie geht es weiter?

Im nächsten Post sprechen wir mit Partnerbetrieben von uns dazu, was ihrer Meinung nach passieren muss, damit die Landwirtschaft ihr positive Potential voll entfalten kann. In den darauffolgenden Posts werden wir auch die Rolle des Lebensmittelhandels kritisch beleuchten und Positivbeispiele bringen. Außerdem werden wir mit diversen Menschen sprechen, die an einem positiven Wandel arbeiten. Falls ihr jemanden kennt, den wir dazu sprechen sollten, lasst es uns gerne wissen.


¹ table.media/esg/analyse/christian-hiss-fordert-honorierung-der-bauern-fur-gemeinwohlleistungen-von-1-000-euro-je-hektar_lang
² table.media/climate/interview/eu-zahlungen-muessten-an-die-schonung-des-bodens-gekoppelt-werden

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