ESG-Daten – Nachhaltigkeit als Kennzahlen
Die Lebensmittelbranche zählt zu den Sektoren mit erheblichem Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft. So ist beispielsweise die Lebensmittelproduktion für fast ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Beginnend bei der landwirtschaftlichen Produktion über die Verarbeitung bis hin zur Verteilung und Vermarktung wirken sich die Aktivitäten von Unternehmen in diesem Sektor auf zahlreiche Dimensionen der Nachhaltigkeit aus. Um den aktuellen Herausforderungen des Klimawandels und sozialer Ungerechtigkeit zu begegnen und Strukturen, Prozesse sowie Geschäftsmodelle in der Lebensmittelbranche nachhaltiger zu gestalten, spielen die sogenannten ESG-Daten eine zunehmend wichtige Rolle. Was genau unter ESG-Daten zu verstehen ist und welche neuen gesetzlichen Anforderungen Unternehmen in diesem Zusammenhang dazu auffordern, mehr Verantwortung zu übernehmen, wird im Folgenden genauer erläutert.
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ESG-Daten in der Lebensmittelindustrie
Die Abkürzung ESG steht für „Environmental, Social und Governance“ – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Diese drei Kategorien definieren Kriterien, anhand derer Unternehmen und Organisationen ihre Nachhaltigkeitsleistungen messen und künftig auch verpflichtend berichten müssen. Die Umweltdimension umfasst beispielsweise Aspekte wie die Reduzierung von CO₂-Emissionen in landwirtschaftlichen Praktiken durch ökologischen Landbau oder alternative Abfallmanagementsysteme, wie umweltfreundliche Verpackungen oder effizientere Ressourcennutzung durch die Verwertung von Lebensmitteln, die nicht den Normen entsprechen – ein Ansatz, den auch wir bei Querfeld verfolgen. Die soziale Dimension konzentriert sich auf Bereiche wie die Achtung der Arbeitnehmerrechte und die konsequente Einhaltung von Sozialstandards entlang der gesamten Lieferkette bis hin zu den Erzeuger*innen der Lebensmittel. Die Kategorie Governance adressiert die Art und Weise, wie Unternehmen geführt werden – etwa Transparenz, ethisches Verhalten oder ein Risikomanagement, das ESG-bezogene Risiken identifizieren und entsprechend steuern kann.
ESG-Daten sind also Kennzahlen und qualitative Informationen, die es ermöglichen, die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen zu quantifizieren, zu bewerten und letztlich vergleichbar zu machen. Neben Faktoren wie der steigenden Verbrauchernachfrage sehen auch politische Entscheidungsträger zunehmend Handlungsbedarf, weshalb neue gesetzliche Anforderungen maßgeblich zur wachsenden Bedeutung der ESG-Daten beitragen. So bilden Nachhaltigkeitskennzahlen beispielsweise eine Grundlage, um den Verpflichtungen des Lieferkettengesetzes, das wir bereits im März auf unserem Blog vorgestellt haben, nachzukommen.
ESG-Daten und die CSRD – Was tut sich in der EU?
Ein besonders aktuelles Thema im Unternehmens- und öffentlichen Diskurs ist die im Januar 2023 in Kraft getretene EU-Richtlinie "Corporate Sustainability Reporting Directive" (CSRD), die erstmals einen europaweiten rechtlichen Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung schafft. Die CSRD verpflichtet Unternehmen in der gesamten EU, über ihre ESG-Leistungen zu berichten. Die Berichtspflicht wird schrittweise bis zum Geschäftsjahr 2028 ausgeweitet und betrifft nicht nur große Konzerne, sondern auch viele mittelständische Unternehmen. Ziel der CSRD ist es, die europäische Wirtschaft nachhaltiger und insbesondere transparenter zu gestalten. Ein zentrales Merkmal der verbindlichen Berichtsstandards ist die Anwendung der "European Sustainability Reporting Standards" (ESRS), die klare Vorgaben zur Erhebung und Offenlegung der ESG-Daten enthalten. Die betroffenen Unternehmen müssen daher nicht nur die systematische Erfassung und Aufbereitung der ESG-Daten in ihre Unternehmensstrategie und Geschäftsabläufe integrieren, sondern auch die Nachhaltigkeitsinformationen für alle Stakeholder zugänglich machen. Diese Informationen sollen dann unter anderem Finanzmarktakteur*innen als vergleichbare Datenbasis für nachhaltige(ere) Anlageentscheidungen dienen.
ESG Gut, CSRD Gut – Alles Gut?
Die zunehmende Bedeutung der ESG-Daten und insbesondere die damit verbundenen Berichtspflichten (CSRD) sind ein wichtiger Schritt, um die sozial-ökologische Transformation voranzutreiben. Einige Expertinnen sprechen von einer beispiellosen Regulierung der Wirtschaft. Die neuen Berichtspflichten scheinen bereits über Europa hinaus Wirkung zu entfalten und veranlassen beispielsweise Unternehmen in den USA, sich intensiver mit ihrer Nachhaltigkeitsperformance auseinanderzusetzen. Eine Herausforderung bleibt jedoch die Anfälligkeit der ESG-Daten-gestützten Nachhaltigkeitsberichte für Greenwashing. So hat die EU-Kommission die ursprünglich strengeren Vorschläge des Expertinnengremiums EFRAG zu den ESRS deutlich abgeschwächt. Zudem dürfen Unternehmen selbst entscheiden, welche Themen sie als wesentlich betrachten und darüber berichten. Dies kann zu selektiver Offenlegung führen, also der Veröffentlichung ausschließlich positiver Informationen und dem Auslassen kritischer Aspekte, was die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Daten beeinträchtigen kann. Kritiker der CSRD bemängeln zudem, dass die Berichtspflichten nach den ESRS zu komplex seien und vielen Unternehmen qualifizierte Mitarbeiterinnen und finanzielle Mittel fehlen. Diese Herausforderung trifft insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, da die Anwendung der ESRS eher auf große Konzerne ausgerichtet ist. Befürworterinnen der CSRD betonen jedoch, dass die Kosten für die Unternehmen nach der ersten Erhebung und Offenlegung der ESG-Daten deutlich sinken werden und die Investition zukunftsorientiert sei. Nachhaltigkeitsrisiken sind mit finanziellen Risiken verbunden.
Die Frage, wie belastbar die ESG-Daten der neuen Nachhaltigkeitsberichte letztlich sein werden und wie wirksam die neue CSRD im Hinblick auf tatsächliches nachhaltiges unternehmerisches Handeln ist, lässt sich derzeit noch nicht vollständig beantworten. Es bleibt daher spannend, die ersten Nachhaltigkeitsberichte aus dem Lebensmittelsektor, die Ende dieses bzw. Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden, zu analysieren. Germanwatch beschreibt die Nachhaltigkeitskennzahlen und die CSRD als ein wirksames Instrument, um die sozial-ökologische Transformation weiter voranzutreiben.
Als Sozialunternehmen begrüßen wir von Querfeld die gesetzlichen Entwicklungen hin zu mehr unternehmerischer Nachhaltigkeit, insbesondere da die CSRD den gesamten EU-Markt adressiert! Darüber hinaus möchten wir, wie bereits im März zum Lieferkettengesetz, erneut betonen, dass ein nachhaltiger Umgang mit Mensch und Natur für uns über gesetzliche Anforderungen hinausgeht und eine moralische Grundvoraussetzung für unser Handeln darstellt.